Dienstag, 30. März 2010

Illegaler Arbeitsmarkt: wie man aus der Hartz-IV-Falle herauskommen kann – der Fall des Ayhan Mutlu!

Ayhan Mutlu*, Mitte Vierzig, sitzt in einem der zahlreichen Cafés, die um die Oranienburger Straße in Berlin-Mitte entstanden sind. Er trinkt einen Kaffee. Mit seinen blau-grünen Augen bedient er ganz und gar nicht das Klischee eines türkischstämmigen Deutschen. Sein äußeres Erscheinungsbild passt gut in die Berliner Szene: schwarze Hornbrille, modische Cordhose, dezente schwarze Lederjacke. Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, er arbeite bei einer der Werbeagenturen oder Internetfirmen in der näheren Umgebung. Doch der Akademiker ist seit bald zwei Jahren Hartz-IV-Empfänger!

Ayhan Mutlu arbeitete an Universitäten, an öffentlichen Instituten und in Unternehmen in Berlin und im Ausland. Vor drei Jahren wurde sein Vertrag nicht mehr verlängert. Er begann sofort, sich auf neue Stellen zu bewerben. Doch als er ein Jahr und drei Monate sowie 140 Bewerbungen später immer noch arbeitslos war, beantragte er Hartz-IV.

Er erzählt, dass er aus sehr unterschiedlichen Gründen keinen neuen Job fand. Mal war er zu überqualifiziert, mal zu unterqualifiziert, mal hatte er keinen deutschen Namen und mehrere Male die falsche Religion oder er war einfach zu alt. Nach der 140. Absage beschloss er, sich nicht mehr zu bewerben.

Eines hatte Mutlu schnell begriffen: es gibt in Deutschland mehr als genug Arbeit. Allerdings nicht auf dem legalen Arbeitsmarkt.

Mutlu, der viele Erfahrungen mit den elektronischen Medien als Content-Manager gesammelt hatte, fand schnell heraus, dass einige Institutionen und Privatpersonen nicht bereit sind, den offiziell/legalen Preis für eine diesbezügliche Dienstleistung zu bezahlen. Die Auftraggeber scheuten sich indes nicht davor, einen niedrigeren Betrag unter der Hand zu entrichten, so dass er zusammen mit seinen Leistungen aus dem SGB-II ein ordentliches Salär erwirtschaften könne, welches mit weit weniger Arbeitsaufwand dem eines regulären Gehalts in seiner Branche nahe komme.

Und auch die Hartz-IV-Leistungen seien viel besser als ihr Ruf: der Regelsatz von 359 Euro, die Miet- und Heizkosten, die Krankenversicherung, die Übernahme eines kleineren Beitrags zur staatlichen Rentenversicherung, Schonvermögen, Zusatzverdienst, keine GEZ-Gebühren, ein verbilligtes Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, freier Eintritt in die Museen oder extrem günstige Preise für Theater- oder Sportveranstaltungen. Mutlu stellte sich die Frage, warum nicht viel mehr Menschen so vorgehen wie er? Schnell wurde ihm bewußt, dass er in der Tat kein Einzellfall war.

Mutlu machte eine weitere einschneidende Erfahrung: Hartz-IV-Empfänger sind nicht lediglich ungelernte Hilfskräfte oder Angehörige des Bildungsprekariats wie er immer in den Medien gelesen und gehört hatte. Im Laufe der Zeit lernte er viele Menschen kennen, von denen er niemals gedacht hätte, dass sie zu SGB-II-Leistungsempfängern „absteigen“:

Die ehemalige deutsche Universitätsdozentin in den USA, die keinen Job in Deutschland bekommt. Der Fliesenleger, der 2.500 bis 3.000 Euro netto auf dem Schwarzmarkt verdient und noch nicht einmal die Hälfte für die entsprechend legale Arbeit erhalten hätte. Der Chemiker, der nach der Kündigung bei einem Berliner Pharmakonzern Weiterbildungskurse anbietet. Der arbeitslose Journalist, der für viele Vereine in einer ansprechenden Qualität Texte verfasst. Die Liste lasse sich unendlich weiterführen.

In Deutschland wachse nach den Worten des türkischstämmigen Akademikers der illegale Arbeitsmarkt im Vergleich zum legalen in nicht gekannter Form. Die Menschen suchten sich neue Formen des Daseins und die staatlichen Institutionen stünden diesem Phänomen hilflos gegenüber.

Wer heute von seinem Job gut leben könne, sei in der Regel direkt oder indirekt beim Staat engagiert. Während in den siebziger Jahren Angestellte des öffentlichen Dienstes in die Privatwirtschaft abwanderten, weil sie dort besser verdienen konnten, sei es mittlerweile umgekehrt.

Mutlu lernte auch schnell, den bürokratischen Apparat zu überlisten. Um gerade die für Akademiker gehassten 1-Euro-Jobs zu umgehen, gibt er regelmäßig einige Kleinaufträge an, die seine „Auftraggeber“ als offiziell deklarieren können.

Für Mutlu eine klare Sache: Die Mitarbeiter in den Job-Centern seien derart überlastet, dass sie nicht den geringsten Anschein zeigten, sich um ihn zu kümmern, eine effektive Jobvermittlung befinde sich in weiter Ferne.

Auf den Einwand hin, dass circa 35% aller Türken in Berlin arbeitslos seien und nicht alle die akademischen Privilegien von Mutlu genössen, lächelt er beinahe spöttisch. Kein Türke in seinem näheren Umfeld sei arbeitslos, ob Akademiker oder nicht. Leistungsbezieher ja, aber arbeitslos, nein.

Man müsse nur mit offenen Augen durch Kreuzberg, Neukölln oder den Wedding gehen, um dies sofort zu merken. Der große Unterschied zwischen Arabern und Türken einerseits und den Deutschen sei, dass jene in ihren Heimatländern sehr wohl gewohnt gewesen seien, ohne den Staat bzw. staatliche Hilfe auszukommen. Der Staat sei dort ein notwendiges Übel. Man gehe ihm aus dem Weg so gut es ginge. Die informellen Netzwerkstrukturen liefen nun einmal nach anderen kulturellen Gesetzmäßigkeiten ab. Diese Mentalität hätten die deutschen Behörden niemals verstanden. Sozialhilfe in Deutschland werde aber selbstverständlich nebenbei gerne mitgenommen.

Im Laufe der letzten zwei Jahre hat Mutlu sein „persönliches System“ noch verfeinert. Eine private Rentenversicherung schloss er im Ausland ab, außerhalb des EU-Bereichs. In den letzten neun Monaten fing er schließlich an, im Ausland legal zu arbeiten, immer für einige Wochen. Er meldet sich dann bei den Behörden ab und beantragt wieder Hartz-IV, wenn er sich wieder in Deutschland aufhält. Die Erhöhung des Schonvermögens und die kommenden Zusatzverdienste begrüßt er zwar, bedauert aber den deutschen Steuerzahler, da er fest der Meinung ist, dass damit dem Missbrauch weiter Vorschub geleistet würde.

Auf die Frage, ob Mutlu damit nicht seine persönliche Würde verloren hätte, zuckt er nur mit den Schultern. Nach einigem Zögern erwidert er, dass er sich das alles nicht ausgesucht hätte. Bekomme er einen legalen Job, von dem er einigermaßen leben könne, würde er sofort zugreifen. Aber derzeit sei die Alternative, Milchtüten auf legale Weise im Supermarkt einzuräumen. Für einen miesen Lohn. Es stelle sich die Frage, bei welcher Arbeit man mehr an Würde verliere.

Eine Menge seiner Freunde und Bekannten arbeiteten mittlerweile in Istanbul, Oslo, London oder New York. Man müsse sich das einmal durch den Kopf gehen lassen: Hier in Deutschland gebe es immer noch ein einigermaßen gutes Ausbildungssystem und trotzdem sei man gezwungen, das Land zu verlassen. Das halte auf Dauer keine Gesellschaft durch. Auch im Hinblick auf die kommende demographische Entwicklung.

Zum Schluss meint er noch ungefragt: Das Gerechteste sei, dieses System abzuschaffen und nur noch wirklich Bedürftigen zu helfen. Dem Missbrauch sei Tür und Tor geöffnet. Er selbst sei das beste Beispiel dafür. Das werde für die deutsche Gesellschaft wie die Drogentherapie eines Schwerstabhängigen sein: die erste Zeit schmerzvoll und steinig, aber zum Schluss würden fast alle besser damit fahren. Außerdem verleite das System zu Passivität. Der bürokratische Dschungel lähme dieses Land und verbaue den Menschen Chancen.

Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass staatlicher Dirigismus im digitalisierten Zeitalter heutzutage noch gesellschaftliche Prozesse steuern könne, wo jeder per Knopfdruck sein Kapital von Deutschland nach Brasilien oder in die Schweiz befördern könne.

Als Ayhan Mutlu den Kaffee ausgetrunken hat, lehnt er sich zurück und bestellt ein großes Berliner, der alten Tage wegen. In zwei Tagen ist er erneut in Osteuropa unterwegs.

*Der Name wurde vom Verfasser geändert.

Mittwoch, 17. März 2010

Kurzer Einwand: Warum müssen deutsche Soldaten in Afghanistan sterben?

Warum schützen deutsche Soldaten ein Regime, das Wahlen fälscht, das Posten innerhalb des Staates nach der Höhe der Bestechungsgelder vergibt, dessen Unterstützer in den Drogenhandel verwickelt sind und die sogar Waffen an die Taliban verkaufen?

Nachdem die Bundesrepublik Deutschland zur drittgrößten Rüstungsexportnation der Welt aufgestiegen ist, verkörpert das Unternehmen Afghanistan einen weiteren Meilenstein der Militarisierung deutscher Außenpolitik.

Man kann es so machen, doch die Verantwortungsträger sollten diese schleichende Kehrtwende deutscher Außenpolitik auch klar benennen:

Heutzutage ist deutsche Außenpolitik in erster Linie interessengeleitet und realpolitisch orientiert. Der Begriff "Zivilmacht Deutschland" (Hanns W. Maul) war und bleibt ein Mythos.

Put it different: in Afghanistan geht es primär um strategische Interessen, währenddessen eine wie auch immer geartete verbal initiierte Demokratisierung des Landes als Beruhigungspille für die deutsche Bevölkerung herhalten muss.

Weder die Engländer im 19. Jahrhundert noch die Sowjetunion im 20. Jahrhundert waren in der Lage, Afghanistan unter Kontrolle zu bringen. Auch den Nato-Truppen wird es nicht gelingen, geschweige denn einen nachhaltigen Demokratisierungsprozess in Gang zu bringen. Afghanistan kann nicht in zehn Jahren etwas lernen, wofür der Westen Jahrhunderte brauchte.

Deutsche Soldaten kamen als Brunnenbauer und werden als Bombenwerfer das Land verlassen.

Es wäre gegenüber der deutschen Bevölkerung redlich, die „neue deutsche Außenpolitik“ zu erklären und zu vermitteln!

Freitag, 12. März 2010

Wo es ein Vorteil ist, Türke zu sein! (Satire oder doch nicht?)

Neulich saß ich in Huamanga in einem der zahlreichen Biergärten und musste an Deutschland denken. In fast 3000 Metern Höhe kam es einfach über mich. Alles Mögliche schoss mir so durch den Kopf: der Streit innerhalb der Koalition, die deutsche Nationalmannschaft mit ihrem Torwartproblem oder die miserable Model-Show der Heidi Klum. Bei einem Gedanken bin ich allerdings länger hängengeblieben:

Welche Vorteile bringt es eigentlich mit sich, ein Türke in Deutschland zu sein?

Na ja, nach fast fünfzigjähriger Einwanderungsgeschichte kann man ja mal so eine Frage stellen. Ehrlich gesagt fand ich zwei Bier später immer noch keine Antwort. Die nackten Tatsachen kamen mir sehr traurig vor.

Eine hohe Arbeitslosigkeit, weniger Schulabschlüsse, höhere Kriminalitätsraten, Ghettobildung, Ehrenmorde, Zwangsheirat, Kopftuch sowie eine zum großen Teil ziemlich beschränkte Beherrschung der deutschen Sprache. Vielleicht sollte man außerdem als Türke nicht gerade in die neuen Bundesländer fahren. Denn so ein Schwarzkopf mit dickem Schnurbart lebt manchmal gefährlich in diesen Gegenden.

Drei Bier später fielen mir dann aber doch zwei Vorteile ein (man muss wissen, dass in den höheren Lagen unseres Planeten der Verträglichkeitsquotient von Alkohol sich nahezu potenziert).

Zum einen kann man sich einen guten Arbeitsplatz schaffen, wenn man das Zeug dazu hat, Landes- oder Bundesfördermittel zu ergattern, die etwas mit dem Thema Integration zu tun haben. Ich kenne viele sogenannte türkische Migranten, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als Anträge für neue Projekte zu schreiben. Das kommt im bundesdeutschen Mainstream immer gut an. Noch besser wäre es, Integration mit Gender und Antidiskriminierung in jeglicher Form zu verbinden. Das ist ein totsicherer Tip. Und falls das Projekt ausläuft, wird eben der nächste Antrag geschrieben. Ok, diese Projekte tragen nicht gerade dazu bei, dass es mit der Integration vorangeht, doch dienen sie immerhin dazu, einige türkische Berufsmigranten von den Job-Centern fernzuhalten.

Der zweite Vorteil betrifft die Politik. Es gilt in den meisten Parteien als schick, sich mehrere Politiker in ihren Reihen zu halten, die einen Migrationshintergrund vorweisen können. Da der größte Migrantenanteil von den Türken gestellt wird, sitzen auch meistens Türken in den deutschen Parlamenten. Ob der eine oder andere auch dort sitzen würde, wenn es nur nach Qualitätskriterien ginge, sei mal dahingestellt. Nun, Politiker sind zwar wie Hartz-IV-Empfänger Leistungsempfänger, zumindest quantitativ jedoch auf einer anderen Ebene.

Und in Peru?

In dem schönen Land Peru sieht es ganz anders aus.

Die ersten zwei Monate gab ich mich korrekt als Deutscher aus, in dem naiven Glauben, dass ich im Gegensatz zu einem US-Amerikaner nicht als Hard-Cover-Gringo angesehen werde. Gringos sind nämlich nicht nur US-Amerikaner wie ich vor vielen Jahren dazulernte, sondern auch alle Europäer und anderen Bleichgesichter dieses Globus’.

Man sollte als Gringo immer ein wenig auf der Hut sein. Man zahlt oft einen Gringo-Preis für bestimmte Dienstleistungen oder Waren, der durch die Naivität einiger Touristen das Mehrfache des eigentlichen Preises übersteigen kann (das ist natürlich kein lateinamerikanisches Phänomen). Bei der Suche nach einer Wohnung in Huamanga, waren wir Gott sei Dank so vorausschauend, einen peruanischen Strohmann vorzuschicken. Gringos sind in Lateinamerika auch nicht immer gern gesehen. Es kommt ab und zu vor, dass man unfreundlich behandelt wird. Wer sich mit der Geschichte des Kontinents etwas näher befasst, kann so eine Einstellung sicherlich nachvollziehen.

Außerdem glauben viele Peruaner, dass Gringos eine Menge Geld in der Tasche hätten. Diese könnten es obendrein à la „Bayerischer Landesbank“ unbedarft ausgeben. Versuchen Sie einmal, die Leute von der Tatsache zu überzeugen, ebenfalls nur ein armer Schlucker zu sein. Zum Beispiel durch das Argument, in Peru oder Lateinamerika zu leben, weil man sich im teuren Westen die Miete oder das Essen nicht mehr leisten kann. Heerscharen von US-Amerikanern sichern sich so ihren Lebensabend (Deutsche in der Türkei).

Oft versuchte ich, den Leuten zu erklären, dass es auch Armut in Deutschland gebe. Das Ergebnis war jedes Mal dasselbe: großes Gelächter. Nun gut, ich schien mich also damit abgefunden zu haben, mit virtuellen Goldkettchen und Kreditkarten durch die peruanischen Straßen zu laufen sowie eine Atmosphäre des absoluten materiellen Überflusses zu verbreiten, bis ein Zufall mich aus dieser manchmal unangenehmen Situation befreite.

Eines Tages stand ich auf dem Zentralplatz von Huamanga vor einem Straßenhändler, der Uhren verkaufte. Ich wollte mir eine Billigstopuhr für meine Jogging-Touren kaufen. Der Händler behandelte mich so wie man einen Gringo typischerweise behandelt: lethargisch und Kohle her, ansonsten schleich Dich (natürlich sind nicht alle Peruaner so). Das heisst im Klartext, dass auf meine Frage, wie teuer die Uhren denn seien, kurze und knappe Antworten über den Preis gefallen waren. Selbstverständlich überteuert.

Als mich eines der vielen Kinder in gebrochenem Englisch mit „Hello, where come from“ ansprach, schaute ich zufälligerweise weg und was sah ich dann? An einem Zeitungsstand hing eine Zeitschrift aus, auf deren Titelseite die Blaue Mosche in Istanbul abgedruckt war. Ich entgegnete dem Kind spontan:

„Ben Istanbuldan geliyorum. Istanbul Türkiyede buluniyor. Taniyormusun? (Ich komme aus Istanbul. Istanbul liegt in der Türkei. Kennst du es?)“.

Das Kind hatte die Sprache natürlich nie gehört und war auf einmal ganz still. Der Händler fragte mich darauf interessiert, woher ich komme. Ich antwortete ihm, aus Istanbul.

Sie hätten einmal den Stimmungswandel von ihm erleben müssen. Plötzlich tauchte ein Lächeln auf seinem Gesicht auf. Er erzählte mir begeistert, dass er neulich in der spanischen Ausgabe der National Geographic einen großen Artikel über Istanbul gelesen hätte. Danach fragte er mich tausend Löcher in den Bauch, über die Stadt, aber auch über die Türkei. Er würde sich so sehr wünschen, einmal dorthin zu fahren. Man kann sich sicherlich vorstellen, dass ich nach all meinen Erfahrungen als „Germane“ ein wenig perplex war.

Ich musste ihm Rede und Antwort stehen und nach dieser zwanzigminütigen Quizshow überließ er mir die Stopuhr sogar zu einem fairen Preis. Nach zahlreichen Verabschiedungsfloskeln ging ich ins nächste Café. Am liebsten hätte ich mir einen türkischen Mokka gegönnt, aber es blieb dann doch bei einem „Cafe Americano“.

War das jetzt ein Zufall? Oder hatte ich gerade so eine Art Relativitätstheorie der Gringoabschüttelungstaktik entdeckt, zumal ich ja noch nicht einmal so richtig gelogen hatte? Und mein Wuschelkopf ist auch in Peru fast einzigartig, so dass er meinen Aussagen nochmals Kraft und Ausdruck verlieh (dass es nur selten Wuschelköpfe in der Türkei gibt, spielt mal jetzt keine Rolle).

Die nächste Gelegenheit ergab sich bei einem Taxifahrer, der sich danach erkundigte, woher ich käme. Ich teilte ihm mit, dass ich aus Istanbul stamme. Wow. Genau dasselbe. Gäbe es große Unterschiede zwischen Peru und der Türkei? Wie sei das Leben dort? Wo arbeite ich? Wann fliege ich das nächste Mal zurück? Habe ich Kinder? Wo seien sie? Ihr hättet doch diesen Fleischspieß, wie hieße er, etc. etc.? Äh...das war jetzt das zweite Mal....

Um es kurz zu machen: ähnliche Situationen habe ich mal mehr, mal weniger intensiv im ganzen Land nun erlebt. Die Krämersfrau an der Ecke, der Cocktailmixer hinter der Bar oder die Kids auf der Straße. Ich antworte ihnen einfach nur noch auf türkisch und frage auf spanisch, ob sie wissen, was ich da gerade geredet habe. Und sie sind immer ganz aus dem Häuschen, wenn ich ihnen erzähle, dass die heilige Maria und der Nikolaus aus der Türkei stammen sowie die heilige Stadt Jerusalem sich in der Nähe befindet. Das Ergebnis ist, dass ich in den meisten Fällen für sie kein Gringo mehr bin. Eine Wohltat, kann ich nur sagen. Es macht das Leben in Peru und Lateinamerika einfacher, unkomplizierter und es schont in vielen Fällen den Geldbeutel. Albert Einstein wäre stolz auf mich gewesen.

Die nächste Reise nach Berlin und Istanbul steht im Sommer dieses Jahres an. Auf dem Rückflug nach Lima werde ich eine Staffage an türkischen Utensilien mitnehmen: türkisches Nationaltrikot, Trikot des Istanbuler Fußballvereins Galatasaray, eine Baseballmütze mit dem Halbmond, Gözboncuk (eine Art Talisman) und so weiter und so fort.

Als Türke gelte ich im Andenland als Exot und bin sehr oft in der Wahrnehmung kein Gringo. Meine deutschen Kollegen beneiden mich dafür. Mal sehen wie es in Deutschand dann wieder aussieht!

Vielen Dank für die Geduld und bis zum nächsten Mal.